Zum Thema des Behindertentestaments wurde am 23.11.2017 eine TV-Sendung ausgestrahlt, die Sie auf unserer Seite unter TV- und Radioaufnahmen ansehen können.

Den nachfolgenden Text können Sie auch als PDF herunterladen.

Testament für Familien mit behinderten Angehörigen

Ein Muss zur optimalen Versorgung des Behinderten und zum Schutz des Familienvermögens vor dem Zugriff des Staates

 

Viele Eltern von behinderten Kindern machen sich große Sorgen darüber, wer sich nach ihrem Tod um ihre behinderten Kinder kümmert und wie sie finanziell abgesichert werden können. Das Gleiche gilt auch für Geschwister behinderter Menschen und für alle Personen, die sich für einen Behinderten verantwortlich fühlen.

Über die Sozialhilfe wird nur die Grundversorgung wie z. B. die Heimkosten abgedeckt. Die Sozialhilfe zahlt jedoch erst dann, wenn die behinderte Person ihr eigenes Vermögen, also auch geerbtes Vermögen, nahezu vollständig verbraucht hat.

Bei Heimkosten von mehreren tausend Euro pro Monat ist damit ein ererbtes Vermögen in kürzester Zeit aufgebraucht.

Mit dem sog. behindertengerechten Testament kann der behinderten Person jedoch über die spezielle rechtliche Konstruktion der Vor- und Nacherbschaft Vermögen zugewandt werden, auf das der Staat keinen Zugriff hat.

Die behinderte Person selbst kann aus ihrem ererbten Vermögen, z. B. einem Wertpapierdepot, lebenslang Erträge ziehen, die für ihre persönlichen Bedürfnisse (teurer Zahnersatz, Reittherapie, Musikunterricht, Reisen etc.) zusätzlich zu den Leistungen der Sozialhilfe verwendet werden können.

Nach dem Tod des Behinderten erben das Vermögen beispielsweise seine Geschwister oder eine Behinderteneinrichtung. Weiter muss ein Testamentsvollstrecker als Verwalter des Erbes eingesetzt werden, der darüber wacht, dass das Testament entsprechend dem Willen der verstorbenen Eltern ausgeführt wird.

Schließlich können die Eltern (bzw. die Geschwister etc.) eine Person ihres Vertrauens vorschlagen, die sich nach ihrem Tod um den behinderten Familienangehörigen kümmern soll (sog. Betreuer).

Das „behindertengerechte Testament“ ist die weitaus wirksamste und aufgrund höchstrichterlicher Rechtsprechung sicherste Methode zur Versorgung von behinderten Familienangehörigen sowie zum Schutz des Familienvermögens vor dem Zugriff des Staates. Mit dem „behindertengerechten Testament“ werden Erbrecht und Sozialhilferecht in einer für den Behinderten und seine Familie idealen Weise kombiniert.

Aufgrund der sehr komplizierten Regelungen eines solchen Testamentes sollten sich interessierte Eltern auf jeden Fall von einem im Behinderten- und Erbrecht spezialisierten und erfahrenen Rechtsanwalt beraten lassen.

Wichtig: Das, was für Eltern gilt, gilt gleichermaßen für Großeltern, Geschwister (!), Onkels, Tanten und alle anderen Personen, die einem behinderten Menschen in ihrem Testament etwas zuwenden wollen.

 

Das Behindertentestament im Einzelnen

Das behindertengerechte Testament wird auch das sozialhilfefeste Testament genannt, da es zugunsten von Personen errichtet wird, die Sozialhilfe empfangen. Es geht also nicht in erster Linie um die Behinderung dieser Menschen, sondern darum, dass sie aufgrund ihrer Behinderung ihren Lebensunterhalt nicht oder nicht vollständig alleine bestreiten können und daher auf Sozialhilfe angewiesen sind.

Mit diesem speziellen Testament wird das Vermögen dabei so vererbt, dass die behinderte und Sozialhilfe empfangende Person zwar als Erbe eingesetzt wird, denn andernfalls hätte sie einen Pflichtteilsanspruch und käme zu Vermögen, was dann wieder zu einer Verpflichtung zur Zahlung von Heimunterbringungskosten etc. führen würde. Diese Erbeinsetzung erfolgt jedoch so, dass ein Zugriff des Staates auf sein Vermögen so weit wie möglich ausgeschlossen ist.

Ziel dieses Testaments ist es dabei nicht – wie man vielleicht auf den ersten Blick vermuten könnte – der Person mit Behinderung möglichst wenig zukommen zu lassen. Denn vorrangig geht es darum, diese Person Zeit ihres Lebens gut zu versorgen.

Um diese gute Versorgung für den Familienangehörigen mit Behinderung sicherzustellen, sind u. a. folgende Punkte in einem solchen Testament aufzunehmen:

  • Im Testament wird die behinderte Person auf geringfügig mehr als ihren Pflichtteil eingesetzt. Andernfalls entsteht ein Pflichtteilsanspruch, der auch vom Staat geltend gemacht werden kann.
  • Gleichzeitig wird die behinderte Person aber auch nicht als unbeschränkter Erbe, sondern als sogenannter nichtbefreiter Vorerbe, eingesetzt. Das bedeutet, dass sie über den Stamm des geerbten Vermögens grundsätzlich nicht verfügen kann. Ausnahmen von diesem Grundsatz können natürlich individuell etwa für einen Notfall im Testament festgelegt werden. Nach dem Tod der Person mit Behinderung geht der Stamm des Vermögens an eine andere Person über. Diese andere Person sind typischerweise die etwaigen Abkömmlinge der behinderten Person, die weiteren Kinder des Erblassers oder deren Abkömmlinge. Natürlich können aber auch andere Verwandte oder auch gemeinnützige Institutionen etc. als Nacherben eingesetzt werden.
  • Durch die Einsetzung als nichtbefreiter Vorerbe kommt die behinderte Person zwar nicht an den Stamm des ihr vererbten Vermögens heran, aber sie erhält die Früchte dieses Vermögensstammes, z. B. die Erträge aus der Verzinsung des ihr vererbten Vermögens oder etwaige Mieteinnahmen einer vermieteten Immobilie.
  • Des Weiteren wird im Testament eine Testamentsvollstreckung angeordnet und ein Testamentsvollstrecker eingesetzt. Dieser wacht darüber, dass das Testament auch in der Art und Weise durchgeführt wird, wie es der bzw. die Erblasser gewollt haben. Daher sind auch detaillierte Regelungen im Testament notwendig, damit der Testamentsvollstrecker genau weiß, was er zu tun hat und er sich gegebenenfalls gegenüber Dritten (insbesondere dem Sozialhilfeträger) auf den genauen Wortlaut des Testaments berufen kann.
  • Für den Fall der Not kann man zugunsten der Person mit Behinderung eine sogenannte Auflage aufnehmen, nach der die Miterben verpflichtet sind, der behinderten Person zusätzliche Zuwendungen zu machen. Dies gilt allerdings nur in genau abgegrenzten Fällen (nämlich wenn weder der Staat noch die Krankenkasse Leistungen erbringt) und ist auch höhemäßig begrenzt.

Diese Grundsätze bleiben in der Regel unangetastet und sind elementarer Bestandteil eines jeden Behindertentestaments. Trotzdem müssen stets die Besonderheiten der jeweiligen Familie und des Familienvermögens beachtet werden.